2. Teil des Interviews mit Sigrun Hannemann, Autorin des Buches „Klimastarke Gemüse - reiche Ernte mit robusten Sorten“
Im ersten Teil des Interviews gab Sigrun Hannemann Tipps zu robusten, ertragreichen Gemüsesorten, die auch in trockenen Böden bei immer extremer werdenden Klimabedingungen gut gedeihen.
Nun wollen wir wissen, wie man einen Garten zunächst urbar macht, Gießwasser spart, Pflanzenschutz ohne chemische Keule betreibt und wie all das im Einklang mit der Natur geschehen kann.
Sigrun, hast du einen Tipp, wie man Gemüse vor extremen Wetterbedingungen wie Hitze oder Starkregen schützen kann?
Ein Extratipp gegen zu viel Sonne sind Gemüseschutznetze und die leichteren Vliese, die sowohl gegen Kälte als auch gegen Hitze abschirmen und die Feuchtigkeit zur Keimung im Boden halten. Die Schutznetze wehren nicht nur unerwünschte Insekten ab, sie beschatten auch. Damit Starkregen besser vom Boden aufgenommen werden kann, ist das Mulchen sehr wichtig. Offener Boden verkrustet schnell und nimmt kaum noch Wasser auf. In nicht gemulchten Beeten hilft regelmäßiges lockern der Oberfläche mit der Hacke.
Mit welchen Werkzeugen und Maschinen bearbeitest du deinen Garten?
Ich bearbeite den Boden eher per Handarbeit Ganz einfach mit Spaten, Grabegabel, Rechen und Hacke. Nur die Wiese rings um die Beete wird hin und wieder mit der Motorsense gekürzt. Für die Kartoffeln nutzen wir die Verwandtschaft einer Mitgärtnerin mit landwirtschaftlichen Wurzeln. Ihr Vater hat einen Traktor mit verschiedenen Aufsätzen zum Kartoffeln legen, anhäufeln und ernten und zum Acker pflügen.
Gibt es bewährte Methoden oder Techniken, die du empfehlen kannst, um die Gesundheit und Fruchtbarkeit des Bodens zu verbessern? Wie kann man den Boden im Gemüsegarten auf natürliche Weise verbessern?
Wir hatten anfangs sehr schlechten und verunkrauteten Boden. Um die Quecke loszuwerden, haben wir abwechselnd Teilflächen für 1 Jahr komplett mit einer Folie abgedeckt. Danach war der Boden wunderbar unkrautfrei, aber immer noch nährstoffarm. Wir haben ihn mit Kompost, Pferdemist und Bodenaktivator verbessert. Wichtig ist, die Beete in Stark-, Mittel- und Schwachzehrer-Beete einzuteilen, da jedes Gemüse andere Nähstoffmengen benötigt. Durch den Anbau von Hülsenfrüchtlern wird der Boden mit Stickstoff angereichert, der den benachbarten Kulturen zur Verfügung steht. Im Herbst kommt zusätzlich eine Gründüngung auf einzelne Beete. Der Boden profitiert im Winter davon, wenn noch Gemüse oder Gründünger wächst oder Mulch auf den Beeten liegt.
Das Kraterbeet – Höhen und Tiefen für optimales Wachstum!
Durch die Vertiefung und den Wall entstehen verschiedene Klimazonen – Wärme und Licht der Sonne sowie Niederschlagswasser werden unterschiedlich verteilt. Das kann man für gezielte Bepflanzung entsprechend der Pflanzenbedürfnisse nutzen. Dazu mehr im ersten Beitrag!
Sparsames Gießen!
Dadurch werden die übrigen Gemüsesorten zum tiefen Wurzeln angeregt und vertragen dann auch mal längere Trockenperioden viel besser.
Welche klimafreundlichen Bewässerungsmethoden verwendest du?
Es ist etwas mühselig, den Cube im Ort mit Wasser aufzufüllen und den Hänger wieder zu unserem Garten zu fahren. Daher gießen wir oft nur das nötigste – Jungpflanzen und die jungen Aussaaten. Dadurch werden die übrigen Gemüsesorten zum tiefen Wurzeln angeregt und vertragen dann auch mal längere Trockenperioden viel besser. Ich gieße oft nur mit der Gießkanne, da so am wenigsten Wasser verloren geht.
Woher beziehst du dein Saatgut?
Ich achte darauf, dass das Saatgut biologisch ist. Wenn möglich kaufe ich bevorzugt Saatgut mit Zusatzvermerk, wo es angebaut worden ist. Gerne von Saatgutanbietern oder Vereinen, die sich liebevoll um den Erhalt alter Gemüsesorten bemühen. Das ist oft nur über das Internet möglich, da ich dort aus der großen Auswahl in Ruhe das passende Saatgut finden kann. Das gelingt mir nur selten im Gartencenter.
Für den Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (V.E.N.) haben wir in diesem Jahr die Gemüsemalve vermehrt, eine alte Blattgemüsesorte, die wie Spinat verwendet werden kann. Sie hält gut Sonne und Trockenheit aus und kann im Sommer angebaut werden, während der normale Spinat anfängt zu blühen. Einen Teil des Saatguts schicken wir zurück an den V.E.N., den anderen Teil dürfen wir in Zukunft selber aussäen. Nächstes Jahr planen wir, Tomaten- und Bohnensorten zu vermehren.
Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN)
Seit seiner Gründung 1986 kümmert sich der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) um die Erhaltung teils traditioneller, immer aber samenfesten Sorten, wie diverser Gemüsearten, Heil- und Küchenpflanzen, Obst, Getreide und anderen Nutzpflanzen.
Nicht jeder hat viel Gartenfläche zur Verfügung, kann man einige deiner Tipps auch auf kleine Gärten oder den Balkon anwenden?
Da wir alles in Handarbeit erledigen, gelten die Anbautipps genauso gut für kleine Gärten oder Balkon und Terrasse. Einige wärmeliebende Gemüsesorten profitieren sogar vom geschützten Balkon wie Tomaten oder Auberginen, Paprika und Chili. Mein Sohn hat nur einen Balkon in Würzburg und hat natürlich auch ein Buch geschenkt bekommen.
Für absolute Anfänger im Gartenbau: Wie geht man am besten vor, wenn man ein Beet auf einer Wiese anlegen möchte?
Obwohl viele das Hochbeet für den Anfang empfehlen, bin ich eher dafür, den vorhandenen Boden zu nutzen und entsprechend zu verbessern, falls er zunächst ungeeignet erscheint. Gibt es eine große Wiese, die man nutzen möchte, hat sich die No-dig-Methode nach Charles Dowding bewährt. Auf mehrere Lagen Pappe gibt man eine dicke Schicht Kompost und baut dort im ersten Jahr Starkzehrer an. Bis zum Herbst sind Pappe und der Rasen verschwunden bzw. von den Bodenlebewesen zersetzt. Gut geeignet sind auch die schnell zu befüllenden, niedrigen Holzrahmen-Beete, die man preiswert kaufen kann.
No-Dig-Beet
Eine Lage Karton und danach eingefüllte Erde decken das Gras ab. Ein Rahmen schützt vor seitlichem Einwachsen.
Wie kann man Gemüse vor Schädlingen und Krankheiten schützen, ohne chemische Pestizide zu verwenden?
Bewährt haben sich bei uns die Gemüseschutznetze über den Kohlgewächsen. Wird das restliche Gemüse von Läusen befallen, lohnt es sich, einfach mal abzuwarten. Wir hatten dieses Jahr einen starken Befall der schwarzen Blattlaus an den Dicken Bohnen. Wenig später rückte die Marienkäfertruppe an und vermehrte sich fleißig. Die Larven sind besonders hungrig. Zusätzlich fanden sie unsere Tontöpfe mit Schafwolle drin ideal als Nützlingsquartier. Oft haben wir mit Erdflöhen zu tun, die wir mit selbst angesetzten Pflanzenjauchen, hacken und mulchen vertreiben können. Besonders schlimm ist so eine Schneckenplage wie dieses Jahr. Da hilft nur noch tägliches Absammeln und die Verwendung von Schneckenkragen.
Eine der ersten Fragen an erfahrene Gärtner ist immer wieder der Umgang mit Schnecken und Mäusen. Hast du da gute Tipps?
Die ersten Süßkartoffeln, die ich für das Gartenbuch fotografieren wollte, haben wohl die Mäuse auch sehr lecker gefunden. Dieses Jahr hatten wir keine Mäuse aber die Süßkartoffeln sind schlechter gewachsen. Eine Lösung habe ich dafür noch nicht parat. Schnecken können von Laufenten in Schach gehalten werden, aber um diese putzigen Tiere kann sich bei uns leider keiner kümmern. Daher nutzen wir feuchte Holzstämme und Bretter, die wir morgens umdrehen. Dort verstecken sich die Nacktschnecken tagsüber und wir können sie dort einfach absammeln. Mit dem Mulch mussten wir leider auch vorsichtig sein. Frischer Rasenschnitt auf den Beeten wird schnell zum Schneckenparadies. Jedes Jahr ist anders.
Dieses Jahr haben wir in die runden Schneckenkragen investiert. Es ist die robustere Variante aus dickem Kunststoff, die man mehrere Jahre wieder verwenden kann. Sie haben vor allem bei den Jungpflanzen gut geholfen. Ältere Schnecken schaffen es aber leider auch, diese Barriere zu überwinden.
Wie können Gärtner dazu beitragen, die Artenvielfalt und die Ökosysteme in ihrem Garten zu fördern? Welche Rolle spielt die Biodiversität im Gemüsegarten?
Wenn man nicht jede Laus gleich mit Chemie oder mit im biologischen Landbau zugelassenen Mitteln bekämpft, kann man die entsprechenden Gegenspieler aus der Tierwelt fördern. Damit hilft man beispielsweise auch den Vögeln, die Raupen für ihren Nachwuchs benötigen. Ein Igel wird sich um kleine Bodeninsekten kümmern, solange das Beet ebenerdig ist. Lässt man das Gemüse im zweiten Jahr auch mal blühen, gibt es nicht nur Saatgut sondern auch Pollen und Nektar für Bienen und Schmetterlinge aller Art. Wildpflanzen in der Nähe der Gemüsebeete fördern die Bestäubung, wo es erforderlich ist.
Gibt es trotz deiner jahrelangen Erfahrung als Gärtnerin immer noch Herausforderungen?
Es gibt noch so viel Gemüse, dass mir nicht so richtig gut gelingt, weil der Anbauzeitraum oder der Boden nicht gepasst hat. Radieschen waren eher erfolglos. Brokkoli hat fast nur geblüht, ohne vorher einen ordentlichen Kopf zu bilden. Da gibt es noch ganz viel zu probieren. Und ich bin immer offen für neue Gemüsesorten, die ich noch nicht kenne.
Nachdem du uns nun so viele tolle Gartentipps verraten hast bin ich natürlich neugierig: Hast du schon ein nächstes Gartenbuch in Planung?
Ja, aber das wird jetzt nicht verraten. Mehr dazu im Februar 2026.
Das ist ja spannend!
Ich bedanke mich bei dir ganz herzlich für dieses lange Interview!
Alle Bilder von Sigrun Hannemann.
Hannemann, Sigrun
Klimastarke Gemüse
Reiche Ernte mit robusten Sorten
ISBN: 978-3-258-08352-0
- So wird der Gemüsegarten klimafit.
- Von Artischocke bis Zucchini: die besten klimastarken Sorten.
- Mit zahlreichen Tipps zu nachhaltigem Anbau und klimaangepasster Pflege.
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SIGRUN HANNEMANN
Bloggerin, Freie Journalistin, Gartenbuchautorin, Gartengestalterin, Webdesignerin, Grafikerin, Fotografin
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© Alle Fotos und Illustrationen von Katja Falkenburger