Interview Mit Prof. Dr. Peter Berthold
Während im ersten Teil des Interviews mit Prof. Dr. Peter Berthold auf den saisonal unterschiedlichen Energiebedarf von Vögeln und das „richtige“ Vogelfutter eingegangen wurde, liegt der Schwerpunkt dieses zweiten Teils auf den Futterstellen, ihrer Einrichtung und auf den entsprechenden Hygienemaßnahmen.
Herr Dr. Berthold, wie sollte die Futterstelle gestaltet sein, um Vögel anzulocken und gleichzeitig ihre Sicherheit vor Katzen und Raubvögeln zu gewährleisten?
Ob die Futterstelle in einer Wohnsiedlung auf dem Balkon oder im Garten steht, spielt keine Rolle. Wichtig ist allerdings, dass das Futterhaus für Katzen, Ratten und Mäuse unzugänglich ist und entfernt von Gebüsch aufgestellt wird, damit sich Raubtiere nicht im Hinterhalt verstecken können.
Neben Futterhäusern haben sich auch Silos aus Metallgittern oder Glasröhren bewährt. Große Erdnüsse können so in kleinen Stücken herausgepickt werden und Meisenknödel können ohne Netz angeboten werden, um Plastikmüll zu vermeiden. Diese Darbietungsform ist außerdem hygienisch, da das Futter immer frisch von oben nach unten nachrutscht und zudem auf Vorrat eingefüllt und dosiert gefressen werden kann. Silos bieten somit eine gute Möglichkeit, Vögel über mehrere Tage oder über Urlaubszeiten hinweg zu versorgen.
Eine Kombination aus Futterhaus, frei gehängten Meisenknödeln und Futtersilo an mehreren Standorten ist ideal, da Vögel so mehr Platz haben und ausweichen können. Freistehende Futterstellen bieten Vögeln eine gute Rundumsicht, um Räuber rechtzeitig entdecken zu können, während deckungsliebende Vögel wie der Zaunkönig mit einem Futtersilo oder Meisenknödel in Bäumen oder Gebüsch gefördert werden können.
Locken Futterstellen nicht auch Greifvögel an, die hier leichtes Spiel haben?
Greifvögel wie der Sperber stellen kein Problem dar. Sie sind wichtige Regulatoren und tragen zur Gesundheit der Vogelpopulation bei, indem sie alte und kranke Vögel am Futterhaus finden und entnehmen. Diese natürliche Auslese ist besser, als wenn Greifvögel einen Elternteil direkt vor dem Nest oder der Bruthöhle mit Jungvögeln abfangen oder Nester plündern.
FAST ALLE VÖGEL PROFITIEREN VON FUTTERSTELLEN
Gibt es auch Vögel, denen Futterstellen nichts nutzen?
Spezialisierte Vögel und reine Insektenfresser wie Schwalben, Mauersegler, Baumfalken, Wespenbussarde, Grünspechte und Wendehälse lassen sich nicht an eine Futterstelle locken. Aber alle anderen profitieren von Futterstellen.
DIE MEISTEN VÖGEL FINDEN SICH AN FUTTERSTELLEN IN DER NÄHE VON BIOTOPEN EIN
An welchen Futterstellen finden sich die meisten Vögel ein?
Es kommt außerdem darauf an, wo sich die Futterstelle befindet. In der Innenstadt, ohne einen Park in der Nähe, werden so gut wie keine Vögel an ein Futterhaus auf einem Balkon kommen, wenn der Anflug zu weit ist. In der Nähe eines Stadtparks verbessern sich die Chancen. Hier können sich 10-20 Arten einfinden.
Je näher die Futterstelle an reichhaltigen, natürlichen Biotopen liegt, desto besser. Ideal ist eine Futterstelle in einem großen Garten zwischen einem Wald- und einem Feuchtgebiet. Davon profitieren bis zu 100 Vogelarten! In der Nähe von Feuchtgebieten kann es sein, dass sich sogar Blesshühner, Höckerschwäne, Teichhühner und Stockenten einfinden.
BLAUMEISE IN FREIER PRÄGETECHNIK – siehe www.falkenburger.de
Oft wird argumentiert, dass Futterstellen vor allem häufige Vogelarten fördern und seltene davon nicht profitieren. Stimmt das?
Das stimmt nicht! Natürlich werden häufige Vogelarten wie Kohlmeisen, Blaumeisen und Amseln oft an Futterstellen gesichtet, einfach weil sie weit verbreitet sind, während die seltene Haubenmeise logischerweise nicht in großer Zahl auftreten kann. Somit profitieren auch die seltenen Arten, abgesehen von wenigen Nahrungsspezialisten, von Futterstellen.
HAUSHALTSÜBLICHE HYGIENE AN FUTTERSTELLEN GENÜGT
Auch behauptet wird immer wieder, dass Vögel sich an Futterstellen gegenseitig mit Krankheiten anstecken. Welche Rolle spielt die Sauberkeit bei der Vogelfütterung?
Auch das stimmt nicht! In England wurden die Auswirkungen der Ganzjahresvogelfütterung seit 50 Jahren kontinuierlich von Universitäten und Veterinärmedizinern wissenschaftlich untersucht. Zu der Zeit, als ich Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie an der Vogelwarte Radolfzell war, habe ich dazu weitere Untersuchungen durchgeführt. Der Tierarzt Andreas Staub führte an der Vogelwarte Radolfzell drei Jahre lang eine vergleichende Studie an sauber gehaltenen und stark verschmutzten (nie gereinigten) Futterstellen durch, bei der über 1000 Singvögel von 25 verschiedenen Arten untersucht wurden. Zusätzlich wurden Blutproben virologisch auf Antikörper getestet. Zu keiner Zeit, auch nicht in der warmen Sommerperiode, wurden selbst an den nicht sauber gehaltenen Futterstellen Hinweise auf eine vermehrte Kontamination mit pathogenen Keimen festgestellt. Damit ergaben sich auch bei intensiver ganzjähriger Vogelfütterung keinerlei Anzeichen für eine Gefahr von Seuchenausbrüchen oder ähnlichem. Das bedeutet, dass im Normalfall die in unseren Haushalten üblichen Hygienemaßnahmen völlig ausreichen, um Vögel an Futterstellen gesund zu erhalten.
INFEKTIONSSCHUTZ DURCH HOHE KÖRPERTEMPERATUR VON 45 °C BEI VÖGELN
Vögel sind also offenbar selbst gegen „unsaubere“ Lebensraumverhältnisse unempfindlich. Woran liegt das?
Dauerbeobachtungen über Jahrzehnte zeigen, dass in Großbritannien selbst bei intensiver Ganzjahresfütterung Krankheitsfälle nur gelegentlich auftreten. Das ist, wenn man die Verhältnisse in der freien Natur näher betrachtet, gar nicht anders zu erwarten. Über Jahrhunderte hinweg waren Mist, Abfälle und Jauche, die sich in unmittelbarer Nähe der Häuser befanden, eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel, da diese ja Brutstätten von Insekten sind. Vögel wären längst ausgestorben, wenn der mit Mikroben belastete Dung für sie gefährlich gewesen wäre.
Vögel sind zweifach gut geschützt: Zum einen gewährleistet ihre hohe Körpertemperatur von bis zu 45 °C einen hohen Infektionsschutz, und zum anderen haben sie ein sehr gut funktionierendes Immunsystem. Eine normale Hygiene ist daher auf jeden Fall ausreichend.
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DER AUTOR
Prof. Dr. rer. nat. Peter Berthold (geboren 1939), bis 2004 Direktor der Vogelwarte Radolfzell, Max-Planck-Institut für Ornithologie, gehört zu den weltweit führenden Ornithologen. Nach dem Studium der Biologie, Chemie und Geografie spezialisierte er sich auf sieben Arbeitsgebiete: Vogelzugforschung, Jahresperiodik, Populationsdynamik, Ernährungsbiologie, Genetik, Auerhuhnforschung und Grundlagenforschung für den Natur- und Umweltschutz. 1981 erhielt er eine Professur für Biologie an der Universität Konstanz. Seit 2004 engagiert er sich vor allem im Naturschutz („Jeder Gemeinde ihr Biotop“). Für sein originelles und bahnbrechendes Arbeiten wurde er vielfach ausgezeichnet.
DER AUTORIN
Gabriele Mohr war bis 2017 als Technische Assistentin an der Vogelwarte Radolfzell tätig. Sie hat in der Arbeitsgruppe von Peter Berthold die Aufzucht, Haltung und Zucht von mehr als 5000 Kleinvögeln, vor allem Grasmücken, aber auch von Auerhühnern und über 100 weiteren Vogelarten geleitet. Seit 20 Jahren beschäftigt sie sich zunehmend mit der Fütterung frei lebender Vögel.
Alle Bilder, Grafiken und Textpassagen aus dem Buch „Vögel füttern – aber richtig“ mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Berthold und dem Kosmos Verlag.
Portraitfoto Beitragsbild: Quelle: picture-alliance / dpa
Illustrationen von Katja Falkenburger
Dieser Blogbeitrag enthält ein Interview mit Peter Berthold über sein Buch „Vögel füttern – aber richtig“. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Interview rein ehrenamtlich durchgeführt wurde und ich dafür keine Vergütung erhalten habe.
hier nachlesen: Teil 1 & 3 des großen Interviews Mit Prof. Dr. Peter Berthold
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Welche Rolle spielt die Vogelfütterung im Kontext des Naturschutzes und der Förderung der Artenvielfalt? Im dritten Teil des Interviews berichtet Peter Berthold von seinen Projekten und zeigt auf, was jeder von uns zum Schutz der heimischen Vogelwelt beitragen kann.
Zur richtigen Fütterung von Vögeln gibt es verschiedene Ansichten. Fragen wir doch den Ornithologen Prof. Dr. Berthold - der muss es wissen!