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01 INTERVIEW PETER BERTHOLD: VÖGEL FÜTTERN12 Minuten

Interview Mit Prof. Dr. Peter Berthold

Zur Fütterung von Vögeln im Sommer, Winter und das ganze Jahr über sowie zur Auswahl artgerechten Futters gibt es unterschiedliche Ansichten. Fragen wir doch den Ornithologen Prof. Dr. Berthold – der muss es wissen!

Das Bild zweigt die Silhouette einer Amsel bei verschiedenen Temperaturen an. Bei eisiger Kälte stellt die Amsel sämtliche Feder und zieht den Kopf ein. Dadurch erhält sie die Form einer Kugel und ist damit hervorragend gegen Kälte isoliert. 6 Silhouetten zeigen die veränderten Formen bei sinkenden Temperaturen an und 3 einen Querschnitt, um die Haltung des Vogels unter den Federn aufzuzeigen.
Bei abnehmender Umgebungstemperatur nehmen Amseln eine kugelförmige Gestalt an, "verbergen" sich im Gefieder und schützen sich so vor Kälte. © Kosmos Verlag

Herr Berthold, Sie sind einer der weltweit führenden Ornithologen – wie sollte eine optimale Vogelfütterung aussehen? Empfehlen Sie nur die Winterfütterung oder sollte das ganze Jahr über gefüttert werden?

Ich empfehle eine Ganzjahresfütterung, und sollte das nicht möglich sein, dann ist eine Sommerfütterung besser als eine Winterfütterung.

Wie, die Sommerfütterung ist wichtiger als die Winterfütterung?

Wir haben inzwischen milde Winter. Viele Vögel kommen daher gut über die Runden, weil sie im Winterhalbjahr einen geringeren Energiebedarf haben. Ein Beispiel hierfür ist die Amsel. Im Winter schläft sie in der Nähe des Futterhauses, plustert sich auf und nimmt Kugelgestalt an, um sich gut zu isolieren und um ihre Oberfläche zu reduzieren. Dadurch senkt sie ihre Körpertemperatur etwas ab und lebt so auf Sparflamme, was bedeutet, dass sie weniger Energie und Futter benötigt.

Und wie sieht es mit dem Futterverbrauch im Sommer aus?

Im Sommer dagegen steigt der Energiebedarf durch die erhöhte Aktivität. Allein durch das häufigere Fliegen benötigt ein Vogel etwa 25 mal mehr Energie als beim Hüpfen, Laufen und Springen. Dazu kommt ein höherer körperlicher Einsatz wie Singen, Revierverteidigung, Brüten und die Versorgung von Jungvögeln, wofür deutlich mehr Futter notwendig wird. 

Es kann vorkommen, dass im Winter an derselben Futterstelle jede Woche nur ein Meisenknödel gebraucht wird, während im Sommer bis zu 50 Stück gefressen werden!  ↓

Die Grafik zeigt, den relativen durchschnittlichen jahreszeitliche Futterverbrauch von 19 Vogelarten an Futterstellen in Gärten in England
Der relative durchschnittliche jahreszeitliche Futterverbrauch von 19 Vogelarten an Futterstellen in Gärten in England © Frank Hecker

Was sollte Vögeln nicht gefüttert werden?

Völlig ungeeignet sind jegliche Arten von gesalzenen, gewürzten Speiseresten mit Zusatzstoffen, welche sogar sehr schädlich sein können wie:

  • Tischabfälle und Speisereste
  • Brot, Kuchen, Krümel
  • Fleisch- und Käsereste
  • Margarine, Back- und Bratenfette mit Zusatzstoffen
  • Pommes frites
  • Gekochte Kartoffeln, Quark, Nudeln (leicht verderblich!)
  • Butter (zerläuft und wird ranzig)

Welche Futtermittel sind für Vögel geeignet?

Vögel brauchen Futter von hochwertiger Qualität. Das Beste ist gerade gut genug – weitgehend unbelastet von Schadstoffen, Schimmel usw., also von einer Qualität, die unseren Nahrungsmitteln entspricht.

Im Frühjahr und Sommer haben Vögel einen hohen Energiebedarf. Daher sollte in diesem Zeitraum ausreichend Fettfutter angeboten werden. Früher verwendete man ausgelassenen Rindertalg mit Weizenkleie, heute sind Meisenknödel eine komfortable Möglichkeit, um Vögeln energiereiches Futter anzubieten. 

BEIM FUTTER IST DAS BESTE GERADE GUT GENUG

GETREIDE NUR GESCHROTET UND IN FLOCKENFORM

Streufutter im Handel ist teilweise sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Auf was sollte man beim Kauf achten?

Viele Futtermittel bestehen zu einem Drittel oder zur Hälfte aus ganzen Weizen- und Maiskörnern. Diese können aufgrund ihrer Größe nur von wenigen Vögeln gefressen werden, bleiben liegen und sind daher ungeeignet. Wenn Getreide verwendet wird, sollte es in feiner Flockenform oder geschrotet angeboten werden. Ideal ist es, drei verschiedene Futtersorten anzubieten: Streufutter aus Feinsämereien, Mischfutter und Fettfutter.

Sonnenblumenkerne werden von vielen Vögeln gerne angenommen. Dabei sollte man beachten, dass im Sommer geschälte und im Winter ungeschälte Sonnenblumenkerne verwendet werden sollten. Geschälte Sonnenblumenkerne helfen den Elternvögeln während der Brutzeit und bei der Aufzucht der Jungvögel, da sie keine Zeit mit dem Öffnen der Kerne verschwenden müssen.

Was sollte während der Aufzucht der Jungvögel bei der Fütterung beachtet werden?

Zur Brutzeit wäre eine Fütterung mit frischen Insekten ideal, da fast alle Vögel, selbst Greifvögel, bei der Aufzucht der Jungen mit der Fütterung von Insekten starten. Auch der Eisvogel, der sich normalerweise von Fischen ernährt, füttert anfangs Insekten und erst später Fische.

Lebende Mehlwürmer und Wachsmotten sind im Handel erhältlich. Ideal geeignet sind aber auch Waben mit Drohnenlarven, die man bei Imkern anfragen kann. Die mit Drohnen gefüllten, aufgeschnittenen Waben können direkt als Futter für die Jungvogelaufzucht ausgelegt werden. Zu einer späteren Verwendung oder zum Herauslösen der Drohnen aus den Waben friert man diese am besten in der Tiefkühltruhe ein. Dann lässt sich das Wachs zerkrümeln und die Drohnen im noch gefrorenen Zustand herauslösen.

FAST ALLE VÖGEL FÜTTERN ANFANGS INSEKTEN!

Gibt es Möglichkeiten, Insekten im Garten gezielt zu vermehren oder zu fördern, um ideales Futter für die Aufzucht von Vögeln anzubieten?

Züchten lassen sich Insekten und Insektenlarven auch über offen gelassene Regentonnen, in denen sich Schnaken entwickeln können, oder an nicht störender Stelle ausgelegtes Fleisch, in das Schmeißfliegen ihre Eier ablegen und sich Larven entwickeln, die als Vogelfutter dienen können.

Die Anlage von offenen, gut durchlüfteten Kompostanlagen und Misthäufen ohne geschlossene Behälter und Deckel in jedem Garten ist ideal und die einfachste Lösung. Darin entwickeln sich vielfältige Insektenarten, Asseln und Regenwürmer, die für Vögel eine abwechslungsreiche Futterquelle darstellen.

Achtung! Bei offenen Regentonnen unbedingt ein Schwimmholz oder herausstehende Latte anbringen, damit hineinfallende Tiere nicht ertrinken!

Welche Alternativen gibt es zur Fütterung von lebenden Insekten?

Ein Ersatz für lebende Insekten können auch Hackfleisch oder durch ein Sieb gedrückte, gekochte Eier darstellen. Damit diese nicht zusammenkleben, kann man diesem nassen „Brei“ Zwiebackmehl, das nur wenig Salz enthält, beimischen, um eine krümelige Masse entstehen zu lassen. 

Auch „gebrühter“ Quark kann dieser Masse hinzugefügt werden. Quark muss dazu kurz mit kochendem Wasser übergossen werden, um den Säuerungsprozess zu stoppen und die bestehende Säure auszuschwemmen. Um eine trockene, krümelige Masse zu erhalten, wird der Quark anschließend eine halbe bis ganze Stunde zum Abtropfen in ein Tuch gehängt. 

Diese Mischung ist hervorragend für Jungvögel geeignet und wird auch sehr gerne von erwachsenen Vögeln gefressen, die dann mit hochwertigem Futter die wenigen, noch vorhandenen Insekten als optimales Futtermittel an ihre Jungen verfüttern können.

Größere Vögel können separat mit Katzen- und Igelfutter, aber auch kleingeschnittenen Fleischstückchen von Schlachtabfällen und Hundefutter gefüttert werden. Solches „Ablenkungsfutter“ hat den Vorteil, dass Vögel wie Amseln, Elstern, Rabenkrähen und Eichelhäher von Eiern und Jungen von kleineren Vögeln abgelenkt werden und Nester weniger geplündert werden.

SINGVÖGEL SIND ALLESFRESSER!

Gerne wird eingewendet, dass Rindertalg und Fett normalerweise nicht auf dem Speiseplan von Vögeln stehen. Das stimmt nicht. Singvögel sind Allesfresser und bedienten sich schon immer an verendeten, wilden Großtieren. Sie warten teilweise schon auf die Beute von Raubtieren, in der Hoffnung, dass ein Teil davon auf sie fällt. Früher entsorgte man tote Nutztiere einfach hinter dem Haus oder auf dem Kompost – ein gefundenes Fressen auch für Vögel. Aas, Fett, Innereien und Fleischabfälle, wie sie beispielsweise bei Jägern und Schlachtungen anfallen, sind daher geeignete Futterquellen …

→ Fortsetzung folgt am nächsten Freitag!

Im zweiten Teil des Interviews erfährst du von Peter Berthold, was bei Futterhäusern und deren Aufstellung zu beachten ist. Daher: Trage dich in den Newsletter ein, damit du nichts verpasst!

Mit Tusche gezeichnetes Portrait von Prof. Dr. Peter Berthold.

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Vielen Dank für deine Unterstützung!

 

 

DER AUTOR
Prof. Dr. rer. nat. Peter Berthold (geboren 1939), bis 2004 Direktor der Vogelwarte Radolfzell, Max-Planck-Institut für Ornithologie, gehört zu den weltweit führenden Ornithologen. Nach dem Studium der Biologie, Chemie und Geografie spezialisierte er sich auf sieben Arbeitsgebiete: Vogelzugforschung, Jahresperiodik, Populationsdynamik, Ernährungsbiologie, Genetik, Auerhuhnforschung und Grundlagenforschung für den Natur- und Umweltschutz. 1981 erhielt er eine Professur für Biologie an der Universität Konstanz. Seit 2004 engagiert er sich vor allem im Naturschutz („Jeder Gemeinde ihr Biotop“). Für sein originelles und bahnbrechendes Arbeiten wurde er vielfach ausgezeichnet.

DER AUTORIN
Gabriele Mohr war bis 2017 als Technische Assistentin an der Vogelwarte Radolfzell tätig. Sie hat in der Arbeitsgruppe von Peter Berthold die Aufzucht, Haltung und Zucht von mehr als 5000 Kleinvögeln, vor allem Grasmücken, aber auch von Auerhühnern und über 100 weiteren Vogelarten geleitet. Seit 20 Jahren beschäftigt sie sich zunehmend mit der Fütterung frei lebender Vögel.

Alle Bilder, Grafiken und Textpassagen aus dem Buch „Vögel füttern – aber richtig“ mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Berthold und dem Kosmos Verlag.

Portraitfoto Beitragsbild: Quelle: picture-alliance / dpa

Illustrationen von Katja Falkenburger 

Dieser Blogbeitrag enthält ein Interview mit Peter Berthold über sein Buch „Vögel füttern – aber richtig“. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Interview rein ehrenamtlich durchgeführt wurde und ich dafür keine Vergütung erhalten habe. 

hier nachlesen: Teil 2 & 3 des großen Interviews Mit Prof. Dr. Peter Berthold

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03 INTERVIEW PETER BERTHOLD: NATURSCHUTZ

Welche Rolle spielt die Vogelfütterung im Kontext des Naturschutzes und der Förderung der Artenvielfalt? Im dritten Teil des Interviews berichtet Peter Berthold von seinen Projekten und zeigt auf, was jeder von uns zum Schutz der heimischen Vogelwelt beitragen kann.

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