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DAS KONZEPT

01 DIE GEISS ALS GÄRTNER!9 Minuten

Ziegen fressen alles kurz und klein! Wozu das gut ist und wie seltene Orchideen davon profitieren, berichtet Dominik Hauser auf seinen Führungen in der Kiesgrube Oberankenreute und jetzt ganz ausführlich in diesem 3-teiligen Interview.

Dieser erste Teil des Interviews mit Dominik Hauser zeigt, wie dieses Beweidungsprojekt zustande kam, wie das Beweidungskonzept mit Ziegen erstellt und auf seine Wirkungsweise untersucht und dokumentiert wurde. Ziel ist es, wertvolle Erfahrungen zu teilen, um zu zeigen, wie ein Lebensraum ökologisch sinnvoll gepflegt und genutzt werden kann.

Ein Beweidungs-Projekt von Dominik Hauser.
Mit Unterstützung der Gemeinde Schlier, dem Landratsamt Ravensburg, dem Forst BW, dem Landschaftserhaltungsverband Ravensburg (LEV) und der Heinz-Sielmann-Stiftung.

DAS KONZEPT
Die Geiss als Gärtner
DIE PRAXIS
ERGEBNIS + FAZIT

BEWEIDUNG ALS NATURSCHUTZ-MASSNAHME - eIN kONZEPT ENTSTEHT

Wie kam es zu dem ehrenamtlichen Beweidungsprojekt?

In der Gemeinde Schlier gab es eine Mitteilung im Mitteilungsblatt, dass Bürger Flächen für einen Biotopverbund in der Gemeinde vorschlagen könnten. Hier war die Gemeinde Schlier eine von mehreren Modellgemeinden, in denen Projekte in Zusammenarbeit mit der Heinz-Sielmann-Stiftung durchgeführt werden sollten. Ich kannte das Gebiet von Amphibienkartierungen als wertvollen Lebensraum, der allerdings zunehmend bewaldete und die ehemals nach dem Kiesabbau angelegten Teiche verlandeten. Auch hatte ich durch Zufall bei Streifzügen durch das Gebiet einzelne Orchideen dort entdeckt (Helmknabenkraut, Sumpfstendelwurz). Da ich mich schon länger durch Hausarbeiten im Studium auch mit dem Thema Beweidung auseinandergesetzt hatte und hiervon begeistert war, entstand die Idee, das Gebiet bei der Gemeinde als Projekt vorzuschlagen. Die Bürgermeisterin Frau Liebmann war sehr offen hierfür und zusammen mit dem Landratsamt Ravensburg und der Sielmann-Stiftung entstand ein sinnvolles Konzept.

Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris)

Inzwischen stehen viele Orchideenarten auf der Liste der bedrohten Pflanzenarten, da ihre Lebensräume zerstört werden. Sie haben sehr spezifische Anforderungen an ihren Standort und sind oft auf spezialisierte Bestäuber angewiesen, was sie besonders gefährdet. Extensive Beweidung bietet Chancen, ihre Lebensräume zu schützen und ihre Bestände zu erhalten.

Wie kam es dazu, Ziegen für die Beweidung in der Kiesgrube zu wählen? Sind Ziegen zur Beweidung besonders gut geeignet? Ist der Verbiss durch Wild nicht ausreichend?

Ziegen fressen zu etwa 60% Gehölze

Zu Anfang des Projektes schwankte die Wahl der Tiere zwischen Ziegen und Schafen. Schafe fressen mehr krautige Vegetation und je nach Rasse auch etwas an Gehölzen, können jedoch eine stark verbuschte Fläche nicht selbst offen halten. Ziegen hingegen fressen etwa zu 60 % Gehölze und sind daher ideal zur Landschaftspflege in verbuschten Flächen geeignet. Allerdings muss man überlegen, was mit den Ziegen geschieht, wenn die nötige Offenheit der Fläche erreicht ist und es beispielsweise nicht mehr ausreichend Gehölze gibt. Auf Rasenflächen lassen sich Ziegen zwar halten, ich persönlich finde dies jedoch nicht artgerecht, da sie von Natur aus größtenteils Laubfresser sind. Ziegen sind jedoch wetterempfindlicher und untereinander unverträglicher.

Ursprünglich gab es in Deutschland mehrere große Pflanzenfresser, die alle unterschiedliche Fraßverhalten hatten und teils in Herden auftraten. Heute sind im Wesentlichen nur noch Rehe übrig, deren geringe Dichte so gut wie keine Auswirkungen mehr auf die Vegetation hat. Nur im Wirtschaftswald spielt es eine Rolle, wenn beispielsweise die Haupttriebe mancher Baumarten verbissen werden und diese dann kein schönes gerades Stammholz ausbilden.

Passeirer Gebirgsziege auf Waldweide
Weidenblätter und Zweige als Ziegenfutter.
Asthaufen

Grauerlen werden von Ziegen verschmäht. Damit sie sich nicht vermehrt durchsetzen, müssen sie zurückgeschnitten werden und dienen als Material für Asthäufen, die Lebensraum und Unterschlupf für Reptilien und Amphibien bieten.

Gibt es ein Beweidungskonzept und ein Monitoring?

Durch mich und das Umweltamt findet ein Monitoring statt. Es wurde ein genaues Konzept erstellt, das beinhaltet, welches Weidesystem und welche Tierzahl verwendet werden, mit einem zusätzlichen Weideplan, der festlegt, wann zum Beispiel welche Teilfläche beweidet werden kann, um die Orchideenblüte zu schützen. Gleichzeitig gibt es regelmäßige Begehungen mit den Beteiligten, um die Situation vor Ort zu überprüfen. Es wurden vorab spezielle Zielarten festgelegt.

Wird das Projekt gefördert, begleitet, ausgewertet?

Begleitet wird das Projekt vom Umweltamt am Landratsamt Ravensburg, der Sielmann-Stiftung, der unteren und oberen Forstbehörde sowie Forst BW. Die Einhaltung der Vereinbarungen wird regelmäßig durch Abschlussberichte und Begehungen geprüft. Über Forst BW kamen zuletzt wertvolle Lichtbaumarten wie Wildbirne und Holzapfel zur Pflanzung, und es wird beispielsweise beim Wegeunterhalt unterstützt. Bei organisatorischen Angelegenheiten helfen weiterhin das Umweltamt und die Sielmann-Stiftung. Da wir eine offizielle Waldweide sind und ein Großteil der Flächen Eigentum von Forst BW ist, müssen hier speziell die Vorgaben der Waldweidevereinbarung eingehalten werden, um gewisse Waldfunktionen nicht zu beeinträchtigen.

Über den Landschaftserhaltungsverband Ravensburg (LEV) bekomme ich seit 2023 finanzielle Unterstützung für a) Beweidung und b) „händische Landschaftspflege“ wie die Mahd von Neophyten, Pflege der Orchideenbereiche, Anlage von Asthäufen usw. Diese decken zusammen aktuell in etwa die Ausgaben für Winterfutter, Tierarzt, Anschaffungen wie z. B. ein eigenes Weidezelt und Anfahrten. Außerdem hilft der Landschaftserhaltungsverband beim Unterhalt von Amphibienteichen, hat Schilder für das Gebiet anfertigen lassen und wird demnächst verschiedene Nistkästen und Fledermauskästen zur Verfügung stellen.

Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)

Eine Beweidung kann die Ausbreitung von invasiven Neophyten eindämmen.

Kanadische Goldrute (Solidago canadensis)
Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica)

Welche Ziele werden mit der Beweidung durch Ziegen verfolgt?

Das Hauptziel der Beweidung in diesem Projekt ist die Offenhaltung der Flächen

Das Hauptziel der Beweidung in diesem Projekt ist die Offenhaltung der Flächen, da die Zielarten auf Licht im Wald angewiesen sind und ohne dieses innerhalb weniger Jahre von der Fläche verschwinden würden. Angestrebt wird ein lichter Wald, bestehend aus typischen Lichtbaumarten wie Eiche, Wildkirsche, Linde, Hainbuche und Wildobstgehölzen. Solche offenen Wälder waren in Mitteleuropa in allen Warmzeiten verbreitet, bis der Mensch die großen Pflanzenfresser zu einem großen Teil ausrottete. Im oberen Hangbereich entsteht ein lichter Kiefernwald. Es wurde zunächst nichts gepflanzt; die meisten Lichtbaumarten kamen nach Aufgabe des Kiesabbaus von selbst auf der Fläche auf. Lediglich Wildbirne und Holzapfel, die in Deutschland bereits extrem selten sind, wurden zusätzlich ausgebracht.

Im Unterwuchs soll eine artenreiche, krautige Vegetation, u. a. mit Zielarten aus dem Bereich der Orchideen (Ragwurz, Helmknabenkraut), wachsen. Die Fläche wird durch zahlreiche verbissene und dadurch kompakt gewachsene Strauchgehölze strukturiert, wobei sich langfristig Arten wie Weißdorn und Wildrosen durchsetzen werden. Eine hohe Artenvielfalt bei den verschiedenen Tiergruppen ist erstrebenswert, insbesondere der Erhalt der Zielarten Laubfrosch, Kammmolch und Zauneidechse auf der Fläche.

Ziegen sorgen durch ihren Verbiss und das Schälen der Rinde von Gehölzen für offene Wiesenflächen.

Durch die Beweidung entstehen vielfältige und besonders artenreiche Lebensräume.

Im zweiten Teil erfährst du, wie sich die Beweidung auf die Umgebung und Artenvielfalt auswirkt, sowie spannende Details zur Praxis:

Die Beiträge werden verlinkt, sobald alle 3 Teile online sind!

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© Das Coverfoto und das letzte Bild im Beitrag wurden von Dominik Hauser zur Verfügung gestellt. Alle anderen Fotos von Katja Falkenburger.

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