Einen Stein in Nachbars Garten zu werfen war gestern – heute fliegen Guerilla-Samenbomben mit Blumengrüßen in Wiesen, auf Brachen und Schotterflächen. Was es mit den kleinen, samenbestückten Erdkugeln auf sich hat, erfährst du in diesem Beitrag!
Samenbomben?!
Samenbomben sind kleine Kugeln aus Erde oder Ton, die Blumensamen enthalten, um die Umgebung zu begrünen.
Sie erfreuen sich inzwischen großer Beliebtheit. Endlich mit einem „ernsten“ Hintergrund nach Herzenslust matschen – das gefällt nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen und trägt dazu bei, die Welt ein wenig grüner und bunter zu machen. Im Internet und in Foren werden sogar „Rezepte“ und „Anleitungen“ für diese friedlichen Bomben angeboten.
wer hat´s erfunden?
Die Idee der Saatgut-Bomben, auch bekannt als Seed Bombs, wird oft dem japanischen Landwirt Masanobu Fukuoka zugeschrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er die sogenannten nendo dango (Samenkugeln), um Reis und Gerste an schwer zugänglichen Stellen auf seinen Feldern auszubringen. Diese Methode und die „Nichts-Tun-Landwirtschaft“ wurde später auch in der Permakultur bekannt.
In den 1970er Jahren tauchten Saatgut-Bomben auch in der Guerilla-Gärtnerbewegung in New York auf. Die Gruppe Green Guerillas, angeführt von der Künstlerin Liz Christy, nutzte sie, um brachliegende städtische Flächen zu begrünen.
Die „Nichts-Tun-Landwirtschaft“ bedeutet nach Masanobu Fukuoka:
Tu nichts Unnötiges oder schädliches in der Landwirtschaft*!
* … und im Garten!
Anmerkung der Beitragsschreiberin 🙂
Das "Rezept"
Blumensamen + lehmige Erde + etwas Wasser
Lehmhaltige Gartenerde mit etwas Wasser vermengen, bis eine knetbare Masse entsteht, einheimische Blumensamen beimischen, zu 2-3 cm großen Kugeln rollen und trocknen.
PFLANZENLISTE
Kleiner Klatschmohn (Papaver dubium)
Großer Klatschmohn (Papaver rhoeas)
Kornblume (Centaurea cyanus)
Große Königskerze (Verbascum thapsus)
Gänseblümchen (Bellis perennis)
Wegwarte (Cichorium intybus)
Lein (Linum usitatissimum)
Strahlendolde (Laserpitium latifolium)
Kamille (Matricaria chamomilla)
Gewöhnliche Malve (Malva sylvestris)
Wiesen-Salbei (Salvia pratensis)
Niedrige Schwarzwurzel (Scorzonera humilis)
Wiesen-Glockenblume (Campanula patula)
Roter Fingerhut (Digitalis purpurea)
Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris)
Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)
Acker-Lichtnelke (Silene noctiflora)

Weitere, geeignete Pflanzenlisten für sonnige, schattiger, feuchte und trockene Bereiche findest du auch in meinem Buch „So geht Naturgarten“.
Mit den Samenkugeln lassen sich Pflanzen selbst an schwer zugänglichen oder brachliegenden Orten aussäen. Ihr Prinzip ist denkbar einfach: Werfen, auf den nächsten Regen warten, keimen, wachsen. Die Tonerde soll die Samen vor Tieren und Witterung schützen, während Erde und Feuchtigkeit optimale Bedingungen für die Keimung schaffen …
Das Rezept für Samenbomben klingt simpel, doch zahlreiche kontroverse Diskussionen im Internet zeigen, dass der Teufel manchmal im Detail steckt. Lassen wir die verschiedenen Argumente zum Sinn und Zweck von Samenbomben einmal gegenüberstellen, damit wir uns ein eigenes Bild machen können.
Pflanzensamen brauchen Bodenkontakt, um erfolgreich keimen zu können. Für deine erfolgreiche Guerilla-Einsaat per Samenbombe solltest du sorgfältig auf offene Bodenstellen zielen. Auf dicht bewachsenen und regelmäßig gemähten Wiesen- und Rasenflächen scheitert deine Mission leider!
Impfe deine Samenbombe mit nur wenigen Samen – am besten nur einer Art – dadurch erhalten die keimenden Pflanzen ausreichend Raum zur Entwicklung und verdrängen sich nicht gegenseitig!
Frisch geknetet und geworfen bricht deine Samenkugel beim Aufprall auf und verteilt deine Blumensamen breiter, anstatt sie punktuell wie eine getrocknete, harte Kugel zu konzentrieren. Besonders sogenannte Lichtkeimer wie Königskerzen und Kamille profitieren davon, da sie in einer geschlossenen Kugel nicht keimen können.
Auf großen Flächen sind Samenbomben wenig sinnvoll, da jede Kugel in einem Abstand von 10–30 cm platziert werden müsste. In solchen Fällen ist das großflächige Ausstreuen und leichte Einarbeiten von Samen deutlich einfacher und effektiver.
Einfache Anwendung - Genial oder unkontrollierbar?
Die Herstellung und Nutzung von Samenbomben macht Spaß, ist einfach und unkompliziert – perfekt für kleine und große angehende Guerilla-Gärtner, auch ohne viel gärtnerische Erfahrung.
Ob die Samen tatsächlich keimen und gedeihen, hängt jedoch stark von ihrer Art und den jeweiligen Wachstumsbedingungen ab. Sind zu viele Samen in einer Kugel, konkurrieren sie um Nährstoffe, Wasser und Licht und können sich gegenseitig in ihrer Entwicklung hemmen. Zudem trocknet die Oberfläche der Kugel schneller aus als die umliegende Erde, wodurch die Keimung erschwert wird. In solchen Fällen setzt sich meist die Pflanze durch, die am schnellsten wächst, während andere Keimlinge verkümmern.
Dennoch hat die Idee klare Vorteile: Durch ihr Gewicht lassen sich die Kugeln gezielt an schwer erreichbare und weiter entfernte Stellen werfen. Dabei reicht es, wenige Samen in Erde einzukneten, um optimale Bedingungen zu schaffen. Landet die Kugel an einer offenen Stelle, verteilt sich das noch weiche Material beim Aufprall auf einer größeren Fläche und gibt den Samen genügend Raum zum Wachsen.
Blumen für die Umwelt - Naturschutz oder Risiko?
Wenn Samen in Städten nicht von allein „einfliegen“ können, braucht es manchmal Nachhilfe: Verkehrsinseln, Randstreifen, Baumscheiben und andere Brachen bieten dafür ideale Flächen.
Achte bei der Aussaat von Blumensamen unbedingt auf einheimische Pflanzen, die Insekten und andere Krabbeltiere tatsächlich als Futter nutzen können!
Samenbomben bieten eine kostengünstige und einfache Möglichkeit zur Förderung der Biodiversität, insbesondere in städtischen Gebieten, wo sie neue Lebensräume für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten schaffen. Die Verteilung von Saatgut in Natur, Feld, Wiesen und Wald ist dagegen sehr bedenklich!
Werden ungeeignete oder gar invasive Arten ausgebracht, kann dies das vorhandene Ökosystem stören. Daher schreibt das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Deutschland vor, dass gebietsfremde Pflanzen und Saatgut in der freien Natur nur mit Zustimmung der Naturschutzbehörden verteilt werden dürfen, um ökologische Schäden zu vermeiden.
Auch bei der Auswahl von Saatgutmischungen ist Vorsicht angebracht. Im Handel sind oft Blumenmischungen erhältlich, die zwar optisch ansprechend, aber für viele Insekten wenig nützlich sind. Zahlreiche Arten sind über lange Zeit auf einheimische Pflanzen spezialisiert und finden an fremden Pflanzen keine geeignete Nahrung. Deshalb ist es wichtig, bei der Auswahl auf ursprünglich regional vorkommende Pflanzen zu achten und sich vorab über geeignete Samen zu informieren – etwa durch Fachliteratur oder Datenbanken wie naturaDB.
Bei industriell hergestellten Samenbomben aus dem Handel bleibt die Herkunft und Qualität der Samen oft fraglich – nicht selten stammen sie aus Billiglohnländern, ohne transparente Angaben zur Zusammensetzung. Durch Verpackung und Transportwege werden Energie und Materialien verbraucht, was dem ursprünglichen Nachhaltigkeitsgedanken widerspricht – außerdem ist solches ein „Produkt“ völlig unnötig! Schließlich kann man sich bei Bedarf einfach eine Kugel aus Erde direkt vor Ort zusammenkneten – ohne Verpackungsmüll, langen Transportwege und überflüssige Energieverschwendung.
In Deutschland regelt das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) das Ausbringen von Pflanzen oder Saatgut in der Natur. Gemäß § 40 BNatSchG dürfen gebietsfremde Arten, Pflanzen und Saatgut in der freien Natur nur mit Zustimmung der zuständigen Naturschutzbehörde ausgebracht werden, um negative Auswirkungen auf die heimische Flora und Fauna zu vermeiden.
BombenSpaß oder rechtliches Problem?
Die Idee hinter Samenbomben ist ne prima Sache: Anstatt darauf zu warten, dass öffentliche oder private Eigentümer ungenutzte Flächen begrünen – oder der nächste Rollrasen verlegt wird – nimmt man die Renaturierung einfach selbst in die Hand und freut sich über blühende Erfolge. Vielleicht überraschen die unerwartet sprießenden Blumen sogar den Gartenbesitzer selbst!
Wer ganz legal zur Förderung der Vielfalt beitragen möchte, sollte sich über lokale Vorschriften informieren und gegebenenfalls Alternativen in Betracht ziehen – etwa durch die Teilnahme an Projekten von Naturschutzorganisationen oder Urban-Gardening-Initiativen.
Der Vollständigkeit halber: Es muss darauf hingewiesen werden, dass das Ausbringen von Samen ohne Zustimmung als „Sachbeschädigung“ oder unerlaubte Veränderung von Flächen gelten kann!
Fazit und Alternativen
Wer eine nachhaltige Wirkung erzielen möchte, sollte sich zuvor mit den Standortansprüchen der Pflanzen beschäftigen und bevorzugt einheimische bzw. regionaltypische Arten wählen.
Eine Alternative zu Samenbomben ist das großflächige Ausstreuen geeigneter Samen auf offenem Boden oder Brachen sowie gezieltes Pflanzen. Mit etwas Pflege können sich die Pflanzen optimal entwickeln und reichlich Samen produzieren. Langfristig ist diese Methode nicht nur effektiver, sondern auch kostengünstiger, da weniger Saatgut verschwendet wird.
© Alle Bilder von Katja Falkenburger
Lust auf mehr?
Dann abonniere gerne meinen Blog, um kostenlos die neuen Beiträge zu erhalten. Trage dich dazu gaaaanz unten auf dieser Seite beim Vögelchen in das Newsletterformular ein.
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, hinterlasse gerne eine Bewertung oder einen Kommentar. Dein Feedback bedeutet mir viel und hilft anderen Lesern, interessante Inhalte zu entdecken. Danke, dass du dabei bist!
Bis zum nächsten Mal! 🙂